Podcastfolge 63
Höre an dieser Stelle in einen Ausschnitt meines Workshops „Wofür stehst du?“ hinein oder sieht dir das Video dazu an:
„Ein Kind im Kindergarten hat zu mir dumme Kuh gesagt.“ Meine Tochter schnieft.
Ich nehme sie in den Arm. „Lass es einfach an dir abperlen.“
Die Fünfjährige sieht mich aus verweinten Augen an. „Was heißt das?“
„Das heißt, dass die Worte an dir herunterfallen und es egal ist, was jemand zu dir sagt: Du wirst dadurch nicht traurig. Kennst du den Lotuseffekt?“ Ich suche ein Bild und erkläre ihr, wie das Wasser einfach an den Blättern abperlt.
„Wir wollen gerne, dass sich alle Menschen um uns herum so verhalten, wie wir uns das wünschen“, erkläre ich weiter, „aber das funktioniert nicht.“
„Warum nicht?“
„Weil jeder das Recht hat, sich so zu verhalten, wie er möchte – man muss nur mit den Konsequenzen leben. Das heißt: Wenn jemand gemein zu dir ist, muss er damit leben, dass du vielleicht nicht mehr mit ihm spielen möchtest, solange er gemeine Sachen sagt.“
Ich erinnere mich noch immer an meine erste schlechte Rezension. Eine Bloggerin hatte meinen Debütroman gelesen und nur 2 Sterne gegeben. Die Geschichte hat ihr einfach nicht gefallen – auf der kognitiven Ebene habe ich das auch nachvollziehen können, aber emotional war ich sehr verletzt. Dabei war es eine durchaus wertschätzende Rückmeldung … dennoch fühlte ich mich öffentlich gedemütigt.
Heute weiß ich, dass meine eigenen Gedanken daran schuld sind.
Es sind nicht wirklich die Worte meiner Mitmenschen, die mich verletzen. Wenn dem so wäre, dann hätte eine bestimmte Aussage immer die gleiche Wirkung.
Immer, wenn ich mich mit einem Messer schneide, tut es weh. Das Messer kann mir Schmerzen verursachen.
Aber nicht immer, wenn jemand zu mir „dumme Kuh“ sagt, tut mir das weh. Warum nicht?
Weil ich es anders einschätze, je nach dem, wer es sagt. Rutscht der Satz meiner Tochter heraus, nehme ich das weniger persönlich, als wenn es mein Mann zu mir sagen würde. Der Satz ist der gleiche, aber meine innere Haltung ist unterschiedlich:
Bei meiner Tochter denke ich: Sie ist noch klein und kann sich noch nicht so gut zusammenreißen. Wenn sie sehr wütend ist, weiß sie nicht, wohin mit sich und es platzt aus ihr heraus. Sie meint es nicht so, sondern ist gerade mit ihren Gefühlen überfordert.
Bei meinem Mann hingegen, denke ich: Das war eine absichtliche Beleidigung. Er will mich schlechtmachen. Er ist erwachsen und hat sich eigentlich immer im Griff; das hätte er nicht sagen dürfen.
Die gleichen Worte, aber unterschiedliche Interpretationen in meinem Kopf.
Worte haben per se keine innewohnende Kraft – erst wenn ich sie glaube, entfalten sie ihre Wirkung.
Wo Menschen zusammenkommen, können Konflikte entstehen. Je näher ich mit einem Menschen verbunden bin, desto schwieriger kann es sein, Konflikte aus dem Weg zu räumen, weil wir einen „Regelbruch“ (z.B. „nicht beleidigend werden“ als ungesagte Regel) von unserem Lieblingsmenschen schlimmer finden als von Fremden.
Vor ein paar Monaten gab es so eine Situation in meinem Umfeld.
Ich habe zu einer Sache ungefragt meine Meinung mitgeteilt – etwas, das vielen missfällt und woran ich auch arbeite – und mein Gegenüber hat so barsch reagiert, dass ich tief getroffen war. Ich fühlte mich, als hätte ich bei einem Regalaufbau „ein bisschen weiter links“ gesagt und der andere hätte mir mit dem Regal volle Wucht und mit voller Absicht ins Gesicht geschlagen.
Mein Körper stand unter Strom. Ich zitterte sogar innerlich, habe geweint und war froh, dass dieses Gespräch online stattgefunden hatte, sodass ich allein in meinem Kämmerlein vor mich hin schluchzen konnte.
Nachdem die erste Gefühlswelle abgeebbt war, konnte ich in Ruhe nachdenken (bei einem starken Gefühlsausbruch wird die Verbindung zum logischen Denken unterbrochen).
Ich schrieb auf, was genau mich eigentlich verletzt hat. Waren es die Worte? Der von mir interpretierte Ton? Die Unverhältnismäßigkeit in meinen Augen? Beim Schreiben in mein Journal fand ich heraus, dass ich mich ungerecht behandelt fühlte und durch die Kritik mein Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein angeknackst waren. Da mir mein Gegenüber sehr am Herzen lag, wollte ich nicht in seiner Achtung sinken. Ich wollte den Konflikt ungeschehen machen, um mich besser zu fühlen (das ist übrigens zu 99 % der Grund, warum wir etwas tun oder warum andere sich so verhalten sollen, wie wir wollen).
Ich hinterfragte ein paar Aussagen, die ich beim Schreiben gemacht hatte, zum Beispiel „XY mag mich nicht mehr, weil ich ihn/sie kritisiert habe.“
Im Lichte der Wahrheit betrachtet war das Unsinn. Natürlich wurde ich noch gemocht. Vielleicht jetzt gerade in diesem Augenblick nicht mehr so sehr, aber generell stand nichts Gravierendes zwischen uns.
Allein diese Erkenntnis beruhigte mich zutiefst und gab mir Frieden.
Ich schrieb der Person einen Brief, den ich nicht abschickte, und vergab ihm und mir unser Verhalten. Ich veränderte ein paar Sichtweisen und beschloss, dieser Person meine Meinung nicht mehr ungefragt zu sagen, wenn ein Streit der zu zahlende Preis dafür war. So wichtig ist mir das dann doch nicht.
Am Ende dieser Journaling-Session war ich dankbar und mit Frieden erfüllt – obwohl ich kein Wort mit der Person gesprochen habe.
(Ich habe wenige Tage später mit der Person gesprochen und alles war völlig ruhig und in Ordnung. Ich habe um Entschuldigung gebeten und wir haben uns ausgesprochen.)
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