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So setzt du liebevoll Grenzen (Podcast-Folge 67)

von Annika Bühnemann
25 minutes Lesezeit

Grenzen setzen – wie geht das? Gibt es da keine einfache Formel? Doch, die gibt es. Lies dazu entweder diesen Text, höre in die Folge rein oder sieh dir das Ganze als Video an:

Transkript:

Grenzen setzen bedeutet, sich selbst darüber bewusst zu werden, wo die eigene Toleranz endet und welche Konsequenzen für mein eigenes Handeln sich daraus ergeben.

Es bedeutet nicht, dass ich versuche, Kontrolle über einen Menschen auszuüben. Wenn Grenzen aus einer liebevollen Grundhaltung heraus entschieden und kommuniziert werden, entstehen Integrität, Vertrauen und Verständnis.

6 Bereiche, in denen du Grenzen setzen solltest

Lass uns gerne kurz anreißen, was für Bereiche es gibt, in denen wir Grenzen setzen können und dann überlegen wir, wie wir diese einhalten könnten. Es gibt natürlich sehr viele verschiedene Grenzen, aber ich habe hier sechs Bereiche zusammengetragen, in denen wir häufig Grenzen setzen wollen.

Emotionale Grenzen

Wie viel von meinen Gefühlen gebe ich preis? Wie viel trage ich nach außen? Wie viel teile ich mit meiner Umwelt und wann ist es „oversharing“?

Wo liegt meine ganz persönliche Schamgrenze – beispielsweise im Bereich der sozialen Medien oder bei gesellschaftlichen Events?

Ich war vor kurzem auf einem Junggesellinnenabschied eingeladen. Wir hatten einen total schönen Mädelstag ohne irgendwelche peinlichen Spielchen.
Auf dem Weg zum Restaurant haben wir einen anderen JGA getroffen und der Bräutigam hatte einen „peinlichen Anzug“ an und musste irgendwelche Aufgaben erfüllen, die die anderen witzig fanden.

Für manche ist das eine Schamgrenze. Für andere nicht.

Zwischenmenschliche Grenzen

Welches Verhalten von anderen mir gegenüber lasse ich zu? Lasse ich mich von anderen anschreien oder setze ich da eine Grenze? Lasse ich mir irgendwelche Sprüche gefallen oder nicht? Wo ist es noch okay, wie jemand mit mir umgeht? Und wo kollidiert das zum Beispiel mit meinem Selbstwert? 

 

Es gibt Beziehungen, die fühlen sich für mich nicht ausgeglichen an, weil ich das Gefühl habe, dass einer in einem Abhängigkeitsverhältnis zum anderen ist. Das heißt, manchmal gibt es Menschen, die ständig ihre Grenzen überschreiten lassen, weil sie Angst vor den Konsequenzen einer Grenzwahrung haben (da kommen dann so Drohungen wie „Wenn du denkst, dass du aufmucken kannst, kannst du auch gleich deine Sachen packen und gehen!“).

Mentale Grenzen

Das gute, alte Gedankenkarussell! Worüber denke ich eigentlich nach und wo ist meine Grenze? 

Vielleicht gehörst du auch zu den Menschen, die sich abends ins Bett legen und dann die Gedanken kreisen lassen und dann daran denken, was sie alles noch erledigen müssen, was für Probleme sie eigentlich noch zu lösen haben und überhaupt, wie furchtbar die Welt ist. 

Die Gedanken und Gefühle, mit denen du einschläfst, nimmst du mit ins dein Unterbewusstsein.

Sei also liebevoll im Umgang mit dir und deiner Psyche, indem du dir Regeln zum Grübeln auferlegst: Kurz vor dem Schlafen ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt.

Ich mache es so, wenn mir mein Kopf zu sehr dreht, dass ich dann zum Beispiel „Die drei ???“ oder so was höre, um nicht mehr über etwas nachzudenken. 

Das kriege ich hin, indem ich mir erst einmal achtsam bewusst mache, worüber ich eigentlich nachdenke. Und wenn ich dann feststelle, dass ich schon wieder darüber nachdenke, was ich alles zu tun habe, wo ich wieder daran denken muss, was ich nicht vergessen darf usw., dann sage ich mir innerlich richtig „Stopp!“ 

Und lenke meine Gedanken aktiv und bewusst auf etwas Schönes, zum Beispiel male ich mir in allen Farben aus, wie schön es wäre, jetzt im Urlaub zu sein, mich mit meiner Schwester zu treffen, eine Reise zu unternehmen, ein neues Auto zu haben oder was auch immer mir gerade Freude bereitet.

 

Körperliche Grenzen

Jeder von uns hat körperliche Grenzen. Man hat so diesen Bereich, in dem nur bestimmte Menschen hineindürfen. Nicht jeder darf mich umarmen, küssen oder mit mir intim werden, sondern da habe ich Grenzen, die respektiert werden sollen. 

Dürfen meine Kinder mich hauen? Wie reagiere ich, wenn sie das tun? Und natürlich auch andere Menschen. Wenn ich feiern bin, was erlaube ich anderen Menschen? Wie nah dürfen sie mir kommen? Und wo sage ich „Ich möchte nicht so eng angetanzt werden.“ oder „Nein, ich möchte nicht, dass du deinen Arm um mich legst.“ 

Zeitliche Grenzen

Wie viel Zeit verbringe ich also? Womit und wo ist für mich die Grenze? Das war bei mir ganz präsent, als ich noch angestellt war. Und auch in der Schulzeit, damals habe ich mir schon gedacht: Warum muss ich eigentlich acht Stunden mit diesen Menschen auf engstem Raum verbringen, obwohl ich mir das nicht ausgesucht habe? 

Wie viel Zeit verbringe ich womit und wo liegt meine Grenze?

 

Materielle Grenzen

Es gibt materielle Grenzen und ich glaube, das ist der Punkt, wo wir uns am wenigsten darüber bewusst sind, wo unsere Grenzen liegen.

Ich zumindest muss sagen, dass ich das erst im Laufe der Jahre des Erwachsenendaseins gemerkt habe. Gemeint ist: Mit wie viel Zeug umgibst du dich und wann ist es genug? Wo beginnt das Gefühl, dass du zugestellt bist, sodass du nicht mehr richtig atmen kannst? Und wo ist die Grenze? 

Das hat übrigens auch viel mit Money Mindset zu tun. Money Mindset überschneidet sich ja mit ganz vielen anderen Lebensbereichen und unter anderem eben auch mit dem Thema Ordnung. Es ist kein Zufall, dass wohlhabende Menschen in der Regel auch ordentliche Häuser haben (und zwar nicht nur, weil sie Haushälter*innen haben, sondern weil sie wissen, wie sehr ihnen Struktur hilft).

Je weniger Zeug um dich herum ist, desto weniger gibt es zu verwalten und aufzuräumen. 

Kinder haben da natürlich ein ganz anderes Empfinden als Erwachsene. Wobei auch meine Kinder mit drei und fünf schon merken, dass sie sich in einem aufgeräumten Zimmer wohler fühlen und besser „atmen“ können als in einem zugestellten Zimmer. 

Grenzen setzen in 2 Schritten

Wenn ich ein Haus mit einem Grundstück habe, dann kann ich das einzäunen. Das ist die Grenze des Grundstücks. Es ist klar: Hier darfst du nicht drübergehen.

Wenn jemand unbefugt die Grenze überschreitet, dann habe ich verschiedene Möglichkeiten darauf zu reagieren:

Entweder kann ich gleich die Polizei rufen oder ich sage: „Runter von meinem Grundstück“ oder ich kann – wenn ich in Amerika bin – gleich mit meinem Gewehr rausgehen und sozusagen nonverbal sagen: „Geh von diesem Grundstück runter, sonst erschieße ich dich.“

Ich kann natürlich auch einfach auf diesen Menschen zugehen und sagen: „Das ist mein Grundstück, du bist über meine Grenze gekommen. Wenn du jetzt nicht wieder runter gehst, dann werde ich die Polizei rufen.“ 

 

Schritt 1: Die Anfrage

Angenommen, du hättest die Grenze „Besuch darf nicht unaufgefordert bei mir vorbeischneien“.

Es gibt ja so Menschen, die einfach spontan sagen „Ich klingle mal da und frag, ob die Zeit hat.“ Für manche Leute ist es okay und für manche Leute ist es nicht okay. Wenn es für dich nicht okay ist, dann passiert es dir vielleicht trotzdem manchmal, dass zum Beispiel die Schwiegermutter unangekündigt vorbeikommt.

Was tust du?

Schritt eins ist immer die Grenze zu kommunizieren. Sag deiner Schwiegermutter – aus einer liebevollen Grundhaltung heraus. Sag ihr zum Beispiel:

„Es ist echt schön, wenn wir uns sehen. Aber ich mag es nicht, wenn ich mich nicht darauf vorbereiten kann. Am liebsten möchte ich gerne wissen, dass du kommst, damit ich mich da mental darauf vorbereiten kann. Damit ich Zeit für dich organisieren und freihalten kann. Damit ich vielleicht noch etwas vorbereiten kann.“ 

Du kannst erklären, wo deine Grenze ist, musst sie aber nicht rechtfertigen.

Wenn deine Schwiegermutter nicht versteht, warum da deine Grenze ist, macht das gar nichts. Sie muss es nicht verstehen.

Du bittest dein Gegenüber also im ersten Schritt, ein bestimmtes Verhalten zu verändern.

 

Schritt 2: Die Konsequenz

Überlege dir (am besten vorab), was du tun wirst, wenn die andere Person das Verhalten nicht ändert.

Wichtig: Die Frage ist nicht, was der Person passieren wird, sondern was DU TUST.

Also im Schwiegermutterfall:

Wenn du weiterhin unangemeldet bei mir klingelst, dann werde ich dir nicht mehr öffnen.“

Es sollte eine Konsequenz sein, die …

  • du einhalten kannst
  • verhältnismäßig ist
  • du vertreten kannst
  • aus Liebe heraus getroffen wurde

Wenn deine Schwiegermutter klingelt und du öffnest ihr mit dem Gewehr in der Hand, gälte das gemeinhin als unverhältnismäßig 😉

Konsequenz ist keine Drohung

 

Bei einer Drohung möchte ich jemanden einschüchtern und ihn zwingen, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen, weil er Angst vor der (meist unverhältnismäßigen) Konsequenz hat. 

Wenn meine Tochter morgens trödelt und ich sage: „Wenn du dich jetzt nicht schnell anziehst, gibt es heute kein Fernsehen“, ist das eine Drohung. Fernsehverbot hat nichts mit Anziehen zu tun.

Wenn ich aber sage: „Wenn du dich jetzt nicht schnell anziehst, nehme ich dich so mit, wie du bist, weil ich pünktlich los muss“, ist das eine Konsequenz. Das Kind kann entscheiden, ob es die Konsequenz erleben will.

 

In welchem Bereich würdest du gern besser Grenzen setzen?

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